Open Research Data

Die ORD-Fachstelle setzt seitens der Akademien der Wissenschaften Schweiz den Nationalen Schweizer Aktionsplan für Open Research Data (ORD) um und dient als Ansprechpartner für Open Science Themen.

Transparenz triumphiert: Adriano Rutz gewinnt den ersten Nationalen Open-Research-Data-Preis

Die Akademien der Wissenschaften Schweiz ehrten erstmals die Pioniere offener Forschung mit dem Nationalen Open-Research-Data-Preis – eine Auszeichnung für Forschende aller Karrierestufen. Der Preis ging an innovative Projekte im Bereich der Wiederverwendung von Forschungsdaten. Die Gewinner:innen machen wissenschaftliche Daten zugänglicher über offene Datenbanken in ihren Gebieten. Und es geht weiter: Die Planung für die nächste Preisverleihung steht schon in den Startlöchern.
 

Autorin: Patrizia Widmer

© Bildquelle: Eric Schmid

«Wenn die Wissenschaft der Gesellschaft nützen will, muss sie offen sein»: Damit eröffneteMarcel Tanner, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz, die Verleihung des Nationalen Open-Research-Data-Preises. Am 6. Dezember 2023 wurde die Auszeichnungzum ersten Mal verliehen – ein Meilenstein im Bereich Open Science in der Schweiz. Das Thema des diesjährigen Preises war «die Wiederverwendung von Forschungsdaten». Die Ehrung fand in den Räumlichkeiten der Grande Société de Berne statt, moderiert von der Journalistin und Moderatorin Karin Frei.

Open Research Data als Zukunftsweg

Der neue Open-Research-Data-Preis würdigt innovative Wissenschaftspraktiken und soll den Wandel zu offenen Forschungspraktiken vorantreiben. Open Research Data (ORD) ist ein Teilgebiet von Open Science und bedeutet, dass Forschende den Zugang zu Forschungsdaten erleichtern und die Wiederverwendung dieser ermöglichen. Forschungsergebnisse sollen durch die offen zugänglichen Daten transparenter und reproduzierbarer werden. Zudem fördert ORD die interdisziplinäre Zusammenarbeit, was die wissenschaftliche Kreativität und Innovation vorantreibt.

 

Die Auszeichnung ist Teil des Nationalen Aktionsplans für ORD, der auf einer Nationalen Strategie beruht. Die Strategie und der Aktionsplan wurden 2021 veröffentlicht, da die Schweiz bezüglich Open-Science-Praktiken noch grosses Potenzial hat. So mangelt es z.B. an Richtlinien und Anreizen für die Umsetzung von ORD-Praktiken. Das führt dazu, dass sich offene Forschungspraktiken in der Schweiz noch nicht gänzlich durchsetzen konnten.«Forschende benehmen sich immer noch, als wären sie Jäger und Sammler, wenn es um ihre Daten geht», meinte Marcel Tanner während seiner Rede. Dem soll der Preis entgegenwirken.

Die diesjährigen Gewinner:innen

Gold und ein Preisgeld in der Höhe von 10’000 CHF gingen an Adriano Rutz für «The LOTUS Initiative». Er forscht im Gebiet der molekularen Systembiologie an der ETH Zürich. In seiner Open-Science-Datenbank sind 750’000 Verknüpfungen von chemischen Strukturen und biologischen Organismen archiviert, um Erkenntnisse in der Naturstoffforschung zu verbreiten. Die Datenbank ist kostenlos und öffentlich zugänglich. Rutz betonte im Gespräch nach der Verleihung, dass er viel von Forschenden in seinem Umfeld lernen konnte, wenn es um Open Science geht. Er bemerkte schon als Student, dass der Zugang zu offenen Daten schwierig war und trägt nun selbst einen Teil dazu bei, die Forschung offener zu gestalten. Der Gewinner träumt «von einer Zukunft, in der Wissen keine Grenzen kennt».

 

Die silberne Trophäe und ein Preisgeld von 7'000 CHF gewann Hans-Peter Schaub von der Uni Bern für das Projekt «Swissvotes». Die Datenbank bietet umfassende Informationen zu Schweizer Volksabstimmungen seit 1848 und unterstützt dadurch die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess und dessen Erforschung. Bronze ging an Yvonne Fuchs und Dominic Weber für ihr Projekt «transcriptiones», das an der Universität Basel entwickelt wurde. Die Plattform erleichtert den Zugang zu historischen Transkriptionen für Forschende und weitere interessierte Kreise. Der Bronze-Preis ist mit 4’000 CHF dotiert.

 

Sowohl die Zusammensetzung der Jury als auch die Gruppe der Gewinner:innen zeichneten sich dadurch aus, dass sie Forschende aller Karrierestufen umfassten. 36 Projekte wurden für den Preis eingereicht. Der interdisziplinären Jury fiel die Auswahl der Gewinner:innen nicht leicht. Daher ehrten sie nebst den Gewinnerprojekten vier weitere von der EPFL, Eawag und der Universität Genf mit «Honorable Mentions».

 

Die verliehenen Trophäen sind 3D-gedruckte Massanfertigungen mit tieferer Bedeutung: Andres David Bucher und Julian Dederke designten sie im Rahmen eines Wettbewerbs. Es resultierte eine geometrische Form, ein Ikosaeder, der eine Kugel umhüllt, welche die wertvollen Forschungsdaten darstellt. Ikosaeder haben in der Natur und Wissenschaft eine grosse Bedeutung, z.B. besitzen viele Viren eine ikosaedrische Symmetrie. Der Ikosaeder ist teils geöffnet, teils verschlossen und gewährt nur stellenweise einen Blick auf die glänzende Metalloberfläche darunter. Die Preis-Skulptur symbolisiert damit die heute erst teilweise offenen Forschungspraktiken und den Weg zu echter offener Forschung.

Veraltete Strukturen aufbrechen

Zwei Experten im Gebiet Open Science – Frank Miedema und Toma Susi – legten dem Publikum in ihren Referaten nahe, wie wichtig offene Forschungspraktiken sind, weshalb das Wissenschaftssystem nicht jetzt schon offener ist und dass Forschende mehr Anreize brauchen, um Open Science zu betreiben.

 

Frank Miedema erzählte von seinem akademischen Werdegang: Er habe gelernt, seine Wissenschaft gekonnt zu verkaufen, denn Geldgeber:innen spielten jeweils eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von Forschungsthemen. Wie er sich gegen Mitstreitende durchsetzte bestimmte, ob er Forschungsgelder erhielt oder nicht. Wissenschaftliche Datenöffentlich zugänglich zu machen passt auf den ersten Blick nicht in dieseswettbewerbsorientierte System. Er nennt diese veralteten Forschungsstrukturen «ein Spiel», bei dem junge Forschende mitmachen müssten, wenn sie Karriere machen wollten.

 

Toma Susi nannte die Karriereleiter sogar ein «dysfunktionales Prestige-Spiel». Was seiner Meinung dagegen hilft: «Preise wie dieser sind besonders in der Übergangsphase zu offenen Forschungspraktiken, in der wir uns jetzt gerade befinden, wichtig. Sie zeigen Beispiele und Vorteile von Open Science.» Auch die Nationale ORD-Strategie fordert mehr Anreize und Belohnungen für Open Science Bemühungen. Schlussendlich profitieren alle davon, wenn die Forschung offener wird: ORD verbessert die Forschungsqualität, beschleunigt wissenschaftliche Entdeckungen und trägt damit zur Demokratisierung von Wissen bei.

 

Um Forschende weiter zu motivieren, Initiative im Bereich Open Science zu ergreifen, wirdder Nationale ORD-Preis auch 2024 wieder verliehen. Dies gab Olivia Denk, Leiterin der ORD-Koordinationsstelle der Akademien, zum Abschluss bekannt, bevor die Gäste zu den Klängen der Frischen Fische zum Apéro übergingen, um sich weiter über Open Scienceauszutauschen und sich interdisziplinär zu vernetzen.